37 Grad – große Überschrift für eine ebenso große Reportagereihe des ZDF. Gerade in diesen Zeiten der unkontrollierten Veröffentlichungen im Netz wird der Wert der unkommentierten Berichterstattung umso immenser. Die Kollegen aus der 37-Grad-Redaktion schicken Bilder auf den Äther, die der Betrachter selbst bewerten kann und soll. Sie sind so objektiv, wie es die klassische Chronistenpflicht verlangt. In eben einer solchen Folge dieser Reihe erlebten wir jüngst Eltern, die sich trotz umfangreicher Pränataldiagnostik der leider heutzutage immer mehr propagierten Auslese der Föten im Mutterleib verwehren. Die das Leben als solches anerkennen und „Ja“ sagen zu ihren Kindern mit Beeinträchtigungen. Mütter und Väter, die erkannt haben, dass wir Menschen kein Recht haben zu entscheiden, welches Leben lebenswert ist oder nicht.
Überhaupt: Wie widersprüchlich können wir als Gesellschaft sein, schützen wir den Feldhamster und die Wiesenschildkröte, propagieren aber mit eigens entwickelten Bluttest im Rahmen der Pränataluntersuchung, dass zum Beispiel ein Mensch mit Down-Syndrom nicht den Wert habe wie ein anderes Leben und bis zur Geburt abgetrieben werden könne. In was für einer Welt leben wir, wo solche menschenverachtenden Maximen ausgegeben werden?! In der 37-Grad-Reihe waren die drei Elternpaare auf der Seite ihrer Kinder. Denn es sind ihre Töchter, ihre Söhne, die sie auf die Welt bringen – mit oder ohne Beeinträchtigung, ihre Mädchen und Jungen sind Menschen.
Und sind wir doch mal ehrlich, was wissen wir schon, ob nicht ein vermeintlich gesunder Nachwuchs im Laufe seines Lebens eine Behinderung erfährt?! Oder vielleicht sogar auch schon während der Geburt, was in 80 Prozent der Fälle der beeinträchtigten Kinder bilanziert werden muss?! Will man dann seine Kinder abschieben, weil sie die Norm nicht mehr erfüllen?! Und was ist überhaupt diese Norm-Erfüllung, was ist normal?! Mediziner sagen vielen werdenden Eltern, die ein Kind mit Beeinträchtigung erwarten, dass ihnen ein schweres Leben bevorstehe würde. Woher wollen sie das wissen? Sind sie Propheten? Und sind sich eben jene Mediziner sicher, dass auf ihren Lebenswegen keine Hürden auf sie warten? Natürlich nicht, warum also setzen sie die Mütter, die guter Hoffnung sein sollen, derart unter Druck?! Diese Schwangeren sollten vielmehr die Mütter und Väter besuchen, die bereits glückliche Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen sind, und diese fragen, wie sie sich fühlen, wie sie das Leben gestalten. So wie die Elternpaare, in der 37-Grad-Reportage, die ganz selbstverständlich, auch teilweise mit Ängsten, wie das immer so ist bei Neuem, ihre Kids mit den Besonderheiten zur Welt gebracht haben. Denn Sie wissen, was sie tun – einfach ihre Kinder, ihren Nachwuchs, ihre Töchter und Söhne zur Welt bringen und auf ihren Weg begleiten – mit guter Hoffnung.
In der 37-Grad-Reportage lernten wir beispielsweise Eltern kennen von einem Zweijährigen, der eine seltene Chromosomen-Besonderheit hat und dem keine Überlebenschancen von Seiten der Medizin gegeben worden waren. Aber Paul entwickelt sich – trotz aller nicht wissenschaftlich belegten Prognosen – munter, benötigt täglich eines besonderen Pflegebedarfs, trabt dennoch fröhlich durch die Welt. Genauso wie seine Eltern, die vieles einfach nur anders machen im Alltag als andere Mütter und Väter. Pauls Mutter und Vater nutzen beispielsweise die heutigen Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten , die noch niemals so gut und umfangreich waren wie heute.
Paul geht es gut. Das sagten die TV-Bilder aus. Das sollte allen werdenden Eltern Mut machen, guter Hoffnung zu sein. Immer. Gleichgültig, welche Aussagen in der Pränataldiagnostik gemacht werden. Denn: Jedes Leben ist eine einzigartige Geschichte.