Lieber Chestnut als Screenitus

An Tagen wie diesen laufe ich durch sonnige Herbststraßen und „reise“ in kurzen Pausen zwischen beruflichen Gedanken und Terminwirrwarr im Kopf in meine Kindheit. Da war es um diese Jahreszeit schwer angesagt, Kastanien zu sammeln und stolz die erbeuteten Laubbaumfrüchte nach Hause zu tragen. Schließlich waren diese hart erarbeitet. Wir Kinder machten ein regelrechtes Wettrennen um die Sammelaktionen – und an den meisten bekannten Baumstandorten war demzufolge noch nicht mal mehr eine klitzekleine Kastanie zu finden. Triumphierend ging man in die Runde, hatte man bei Ausflügen auswärts einen Baum ausgemacht, der noch ein paar Früchtchen aufbieten konnte. Und nach all dem Rummel um die kleinen Herbstboten gab’s dann daheim noch das Bastelvergnügen. Eine tierisch gut aufgestellte Truppe aus Kastanien brachte man auf diese Art und Weise in die Setzkästen oder auf andere dekorative Ausstellungsplätze. Natürlich, um die Frage „Ist das schick oder kann das weg?!“ lässt sich streiten. Aber wir Kinder liebten unsere Kastanientradition und gingen mit Vorfreude in den Herbst.

Heute laufe ich durch bekannte Straßen in Hannover und trete allerweil auf die Dinger, die ich doch als kleines Mädchen so heiß begehrt hatte. Überreif sind sie, achtlos fristen sie ihr unbebasteltes Dasein auf dem Boden. Und ich bin etwas wehmütig, denke, dass die schöne Tradition doch vielleicht mal ein gutes Äquivalent wäre zu „Sims“ und Co.. Klar, Computerspiele haben ihre Berechtigung, können Phantasie fördern und auch lehrreich sein. Doch als Ausgleich zum Daddeln könnte doch mal wieder die vergessene Baumfrucht am Start sein. Also: Hey Kids, wie wär’s? Socken scharf machen und eine gediegene Kastanien-Challenge planen – dann kann einem auch mal eine Bambusleitung völlig schnuppe sein. Den nächsten Facepost könnt Ihr später noch lesen. Und wenn ich mit dieser Ansicht Retro bin, dann ist mir das echt rille.

Ein Hund namens Wanda

Ich bin tief berührt. Manchmal schlittere ich so beim Zappen in Trash-Formate. Und so auch gestern Abend. Obwohl DSDS nicht ganz so trashig ist, sondern man als musikliebhabender TV-Gucker durchaus hin und wieder auf seine Kosten kommen kann. Auch gestern Abend gab’s Gänsehautmomente ob wunderbarer Stimmen. Aber tief berührt hat mich ein Protagonist auf vier Pfoten. Der Schäferhund namens Wanda begleitete Hristijan zum TV-Casting. Bereits als Welpe sei der treue Gefährte ihm zugelaufen und seit nun neun Jahren nicht mehr von seiner Seite gewichen, erzählte der junge Mann. Ein wirbelnder Lockenkopf, der seinen Platz im Leben noch nicht gefunden. Der wegen illegalen Waffenbesitzes zweieinhalb Jahre im Gefängnis saß.  Hristijan hat viel erlebt in seinem jungen Leben, Wanda ist seine Freundin geworden. Man hatte das Gefühl, die Hunde-Dame erdet ihn. Sie saß mit weisem Blick an seiner Seite, als würde sie ihre Ausgeglichenheit auf ihn übertragen wollen. Doch wie das vor einer prominenten Jury so vielen Kandidaten geht – auch  Hristijan war mega-aufgeregt und seine Unruhe mit dem ungewöhnlicher Smartphone-Begleitung des Originals „Nur noch kurz die Welt reden“ von Tim Bendzko machte seinen Auftritt nicht gerade zum Erfolgsgarant, um in den Recall zu kommen. Der junge Mann, der bereits harte Zeiten in der Schule erlebte, nahm’s aufgewühlt, aber doch einsichtig hin. Und es kam rüber, dass er sich über sich selbst ärgerte, dass er voll von planlosem Durcheinander in seinem ungeordneten Alltag sich nicht genügend vorbereitet hatte. Auf eine große Chance, auf einen anderen, künstlerisch geprägten Weg. Doch Wanda lief auch beim Verlassen der improvisierten Casting-Bühne auf einem deutschen Dampfer würdevoll neben ihm – ganz so als wollte sie ausdrücken „Das ist mein Mann!“ und dass sie stolz sei, auf ihr Herrchen. Da gehört ja auch eine gehörige Portion Mut dazu, sich der strengen DSDS-Jury zu stellen. Da braucht‘s schon jemanden, der einem zur Seite steht. Und bei Hristijan war es seine treue Begleiterin auf vier Pfoten. Wanda, seine Lebensgefährtin, Freundin, Vertraute, wie er selbst betonte. Ja, man hatte wirklich den Eindruck, dass die Schäferhündin auf ihr Herrchen gut aufpasst,  ihm in die Seele schaut und ihn auf einen guten Weg bringen will. Eine zufällige Begegnung hat Hristijan und Wanda fest zusammengeschweißt. Ja, gestern Abend gab’s ein berührendes Beispiel echter Vertrautheit und Verbundenheit zwischen ziemlich besten Freunden.

Glückstreffen

Mit Spannung haben wir jetzt unsere Botschaft in die Welt gebracht: Auf unterhaltsame Art und Weise wollen Franziska Berentin als Fotografin und ich als Autorin vermitteln, dass man vor Behinderung keine Berührungsängste zu haben braucht. Über ein Jahr lang waren wir in ganz Deutschland unterwegs. Unzählige Prominente angeschrieben, Locations gesucht, Termine gemacht, Unterstützer gefunden, tolle Familien in ganz Deutschland entdeckt, in der ein Kind/Jugendlicher mit Down-Syndrom lebt, einen Verlag gesucht und, und, und. Und jetzt ist es auf der Welt: unser Buch „Glückstreffen“.

So ein Glück: Barbara Wussow trifft Tim Alberti, Konstantin Wecker begegnet Elias Leppler und Ralf Moeller macht die Bekanntschaft mit Dirincan Bacak. Sie alle gehören zu den Hauptdarstellern in „Glückstreffen“. Den Foto/Storytelling-Band mit 25 Promis und 25 jungen Leuten mit Down-Syndrom prägen Geschichten. Emotional, informativ, unterhaltsam. Das Charity-Buchprojekt entstand mit Hilfe der ehrenamtlichen prominenten Botschafter und weiterer Unterstützer. Die Produktionskosten werden zu Dreiviertel durch den Verkauf finanziert. Jeder Cent nach Kostendeckung geht an die Down-Syndrom Vereine Berlin und Hannover.

„Glückstreffen“ – ISBN 978-3-945572-07-8. Jetzt überall im Buchhandel erhältlich, auch online. Wenn es gefällt, bitte teilen.

Liebesgeflüster und die City

Heute Abend muss ich über Sehnsüchte und verheißungsvolle Liebesbotschaften schreiben, über brennendes Verlangen und innbrünstiges Suchen – mag es die tropische Nacht sein, die mich da antreibt?! Fakt ist, der Bilderbuch-Sommer, unter dem so mancher Zeitgenosse ächzt und stöhnt, bringt mich viel mehr in die romantische Schwärmerei, bildet er doch die perfekte Kulisse für heiße Liebesschwüre und herzerwärmende Botschaften. So wie diese, die die Windschutzscheibe meines Autos ziert. „Ich suche Dich“ – so die neugierig machende Überschrift. Ups, was kann denn der anonyme Briefeschreiber von mir wollen, so mein erster Gedanke. Doch schon beim Weiterlesen wird mir schnell klar, dass ich in diesem Fall auf jeden Fall nicht die gefragte Person bin. Der Absender infosilvester-alth@yahoo.com sucht vielmehr unter dem Motto „Versuch 2.0“ eine Dame, die Silvester zufällig mit ihm in Alt Hannovers in Bekanntschaft gekommen sei. Die so Verehrte solle mit zwei Bekannten (eine Mutter mit ihrer Tochter) in der Kneipe gewesen sein, und er – der jetzt schreibende Galan – habe sie aus den Augen verloren, bevor er sie um ihre Telefonnummer habe bitten können. Als Stichworte gibt er Silvester – Alt Hannovers – Konfetti – Chilli – Kumpel EDEKA an.

Ich zerfließe – nein, nicht wegen der derzeitigen Hitzewelle – sondern vor lauter romantischen Gefühlen, die sich im Körper ihren Weg bahnen ob solcher emotionsgeladener Worte. Und bin erst Recht hin und weg, als ich bemerke, dass die Liebesbotschaft nicht nur an meinem Gefährt dekoriert ist, sondern anscheinend in der gesamten Südstadt Hannovers hie und da aushängt. Versteht sich von selbst, dass ich sich dieser anbahnenden Love-Story auf die Sprünge helfen möchte. Also, liebe Frauen an der Leine, welche von Euch fühlt sich angesprochen?  Der Absender infosilvester-alth@yahoo.com ist unter seiner E-Mail-Adresse schnell angeschrieben. Aber ich nehme alles zurück, wenn die Dame Silvester 2019 nicht zufällig von dem beharrlichen Briefeschreiber getrennt worden ist, sondern vielmehr aus ihrer Sicht geschickt den Rückzug angetreten hatte. Dann, hochverehrtes Mädel, vergiss meinen Vorschlag und teile dem Absender unter seiner digitalen Adresse vielleicht mit, dass er sich einen Versuch 3.0 sparen kann. Aber ebenso kann es sein, dass eine zufällige Herzensbrecherin in diesen tropischen August-Nächten sich doch von den Zeilen berührt und erkannt fühlt. Dann könnte genau jetzt eine der romantischsten Liebesgeschichte des Jahres beginnen …

All you need is love

LoveHans Lüttich räuspert sich. Er hat eine aus seiner Sicht unangenehme Unterhaltung vor sich, aus Perspektive seiner Gesprächspartnerin wird sich diese richtig tragisch gestalten. Wir schreiben das Jahr 1945, die 23-Jährige Henni wartet sehnsüchtig auf ihren Freund Hans aus Hamburg. Über ein Jahr haben sich die beiden nicht gesehen, das letzte Mal in Herrmansburg in Schlesien, vor der Flucht von Henni mit ihrem Vater und ihrer elf Jahre jüngeren Schwester Annelore nach Oberkirchenrat.

Henni ist total verliebt in den Seemann, der bei der Marine ist, und dessen Berührungen sie doch so lange entbehren musste. Weiß sie überhaupt noch, wie diese Lippen schmecken, die köstlichen, verheißungsvollen Lippen von ihrem Hans?, fragt sie sich. Und ja, natürlich, die vergisst sie nicht. Und deshalb seht für Henni fest, ein adrettes Kleid muss her, bevor sie ihren starken Seebären empfängt. Aber woher nehmen in den Nachwehen des Krieges, indem man eh von der Hand in den Mund lebt und textile Träume in der Regel unerfüllt bleiben?!

Gewusst wie, mit einer Dorfgemeinschaft im Schaumburgischen, in der man zusammenhält und in denen die Damen der jungen Henni gern behilflich sind. Mit Gardinen. Aus Schals nähen sie der Verliebten ein floral geprägtes Sommerkleidchen. Henni strahlt übers ganze Gesicht. Ja, jetzt kann ihr Hans kommen, jetzt fühlt es sich richtig an mit dem neuen Gewand und der Aussicht auf eine sonnige Zukunft mit ihrem gestandenen Mannsbild.

Und dann ist er eines Tages da – steht vor der Tür der bescheidenen 1-Zimmer-Unterkunft in Obernkirchen – und räuspert sich. Henni ist nach dem ersten sagenhaften Glücksmoment doch erschrocken. Was ist los, was macht Hans für ein Gesicht?! Der gesteht ihr mehr stotternd als verständlich, dass er doch in Hamburg habe Flüchtlinge aufnehmen müssen. Und ja, da habe es sich so ergeben, dass er das Mutter-Tochter-Gespann, das seit einiger Zeit bei ihm lebe, näher kennen gelernt habe. Und das müsse sie, Henni, doch verstehen, dass sich bei dieser Nähe etwas angebahnt habe zu der jungen Frau. Und seine Schwiegermutter in spe habe auch gemeint, dass ein Mannsbild wie er, gut aussehend und verbeamtet, doch nicht so lang allein bleiben könne. Und nun sei er eben verbandelt mit der Tochter. Während er sprach, wurde er ruhiger und Henni immer angespannter. Was sollte das bedeuten? Sie müsse ein Leben ohne ihren Hans leben …?

Ja, das musste sie. Sie lebte ohne ihre große Liebe, aber mit einem guten Mann, Erich, mit dem sie in tiefer Freundschaft verbunden war. Die große Liebe fand sie nochmal in der Beziehung zu ihren Söhnen. Und zum Enkel. Die kleine Annelore von damals erzählt mir diese Geschichte, sie ist heute selbst dreifache Oma und meine Schwiegermutter. Ich bin irgendwie berührt von der Geschichte über die Liebe des Lebens, die man ziehen lassen muss. Milliardenfach und noch viel öfter kommt dies vor, die Gefühle, die beim Erzählen der Geschichte bei meiner Schwiegermutter mitschwingen, zeigen: Die große Liebe vergisst man nicht. Deshalb lohnt es sicher immer, um sie zu kämpfen. Denn das ist das wichtigste. All you need is love.

Augenblicke mit Enten

quietscheentenMeine Tochter sammelt Enten. Bitte kriegen Sie sich wieder ein, natürlich keine lebende Spezies aus der Gattung des Gänsevogels, sondern diese quietschigen. Mit diesen Badwannen-Kollegen hatte ich heute ein besonderes Rendezvous. Gebeutelt von Rücken und Co. gönnte ich mir seit langem wieder (normalerweise bevorzuge ich aus Zeitgründen die heiße Dusche am Morgen) ein Wohlfühl-Schaumbad. Und mitten in meinen tieftragenden Gedanken (oder was ich dafür hielt) beäugten mich diese Gesellen keck von ihren Standorten am Badewannenrand an. Das witzige war: Sie blickten alle in meine Richtung, als hätten sie sich extra aufgereiht für mich und wollten mich von meiner Nachdenklichkeit ablenken. Das ist Ernies Kollegen auch tatsächlich gelungen. Ich musste lächeln ob der mal liebevollen, mal skeptischen, mal anfeuernden Blicke. Und so schafften sie es, dass ich eine kurze Ansprache hielt und vor der versammelten Enten-Mannschaft mir lautstark vornahm, mich wieder auf die optimistische Seite zu schlagen. Ja, dieser Blickwechsel hat was mit Gelenkwohl zu tun. Wer im tiefen Tal der Grübeleien versinkt, der hat den Rücken niemals frei. Denn: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut“, wie schon Friedrich Schiller erkannte. Das Stelldichein mit den Quietschis tat gut. Da brauchte es auch gar kein Entspannungsbad mehr, dass ich grad ohnehin nicht im Haus hatte. Enten als Körperbalsam – doch das gibt’s, und das ist keine Ente.

Empathie ist der größte Schatz

EmpathieIch habe im Laufe meines Lebens schon viele Menschen kennen gelernt. Habe schon einige Jährchen auf dem Buckel. Und je mehr ich Gattungsgenossen studieren durfte, desto mehr weiß ich um die unspektakuläre Bedeutung des klassischen IQ. Wissenschaftlich gemessen kann man eine Zahl herausfiltern, aus der sich aber auf keinen Fall ein erfolgreicheres Leben ableiten lässt – nach dem Motto: Je höher der Intelligenzquotient, desto produktiver ist der Mensch. So ist es nicht. Die Lebenswege sind nicht abhängig vom Scharfsinn, wissenschaftlicher Bildung, sondern vielmehr von Zufällen, Entscheidungen, Ansichten aufs und rund ums Leben. Wer empathisch ist, fühlt sich in der Regel mehr mitten im Leben als derjenige, der der Intelligenz nach dem Duden angehört. Wer dazu noch über eine stabile Resilienz verfügt, hat gute Karten, die Hürden des Lebens mit Stärke zu nehmen. Hirnforscher wie Gerald Hüther propagieren längst, dass die Gesellschaft von morgen nicht die Intellektuellen prägen werden, sondern vielmehr diejenigen, die gelernt haben, in der großen Gemeinschaft den Einzelnen zu erkennen und Wert zu schätzen. Empathie ist das größte Pfund, mit dem man in Zukunft wuchern kann und sollte. Das Individium erkennen und Talente zusammenführen bringt den größtmöglichen Erfolg. Nicht nur für die persönliche Zielerreichung, nicht nur für eine soziale gesunde Gesellschaft, sondern auch für ein wirtschaftlich stabiles Land.

So kommt Hund rum

Ein Welpe namens Fee ist  unser Leben geschneit. Und das sprichwörtlich, ist doch die kleine Malteserin sozusagen fast aus heiterem Himmel zu uns gekommen. Und mit schöner Konsequenz liegt das Fellknäuel gerade immer dort rum, wo ich gerade kochen, waschen oder sonst etwas unternehmen will. Sie ist das neue Geschwisterkind von unserer Großen, 10 Jahre jung, auch noch keine Alte, aber immerhin ein ganzes Jahrzehnt an Lenzen reifer als der weißhaarige Jungspund auf vier Pfoten.

Die beiden sind jetzt schon eine eingeschworene Gemeinschaft und setzen sich entsprechend in Szene. Die Große weiß, wo es langgeht, denkt sie. Denkt der Minihund aber auch. Leider hat das das Umfeld noch nicht so kapiert, wird doch Fee – eigentlich LaFee, aber alle sagen Fee, das sagt doch schon alles – nicht wirklich ernst genommen. Wie süß, ein Kuscheltier, tapsig – die Reihe der ihr zugewiesenen Artikel ist lang, entspricht aber laut Fee nicht ihrem wirklichen Kern. Schließlich: Mit einem furchteinflößenden Welpenknurren und dezentem Bellen kann man doch auch schon die Welt retten, oder etwa nicht?! Na ja, wenigstens die Familie.

La familia will Frauchen wenigstens mit einem ordentlichen Einkauf zum Wochenanfang retten. Der Kühlschrank muss aufgefüllt werden, mit Hund in den Supermarkt gestaltet sich doch in der Regel als schwierig. Das Tier kurz im Auto lassen – das mag bei den Temperaturen möglich sein, macht Frau allerdings nicht mit einem Welpen, der erst seit zweit Tagen bei einem ist. Also: Kurzerhand die schicke neue, auch vor zwei Tagen spontan erstandene Hundetasche herbeigeholt, den Minimalteser gemütlich platziert – und schon kann es losgehen. Beim Trip durch den Discounter fällt keinem auf, dass die klassische Megabag gar keine stylische Handtasche ist, sondern das neue Vehikel für den modernen Welpen, der mal linsen will im Lebensmitteltempel und der mucksmäuschenstill sein kann, wenn es darauf ankommt. So kann der Malteser später was erzählen im Kreise seiner Artgenossen beim Gassigehen, denn welcher Wuff  kommt schon mal zur Supermarkt-Stippvisite. Und dann ist sie doch ganz groß, die LaFee, ein felliges Fräulein, das sich in bestimmten Situationen einfach mal zurücknehmen kann, wenn es darauf ankommt. Was man ja von vielen älteren Zwei- und Vierbeinern nicht behaupten kann.

Wir sehen Weiß

Optimismus ist angesagt 2019. Die Wirtschaft sieht angeblich mit viel Wohlwollen der Zukunft entgegen – der „gemeine“ Bürger steht abwartend daneben, und der durchschnittliche Student, so vermittelt uns eine Studie, schätzt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen wie auch die eigenen Chancen positiv ein.

Und wie reagiert die Modewelt bei so viel Glückseligkeit: In dieser setzt Mann beziehungsweise Frau auf Weiß. Ja, warum wohl?“ Weil „schwarz sehen“ eben so was von out ist, dass die krasse, komplette „Scheinhelligkeit“ bei den Stoffen, aus denen die Modeträume 2019 sind, gerade genug ist. Ja, die weiße Linie ist jetzt gerade auf dieselbige der Starmodels maßgeschneidert. Der Designer neuen Kleider verheißen den Start in ein reines Zeitalter, das Unschuldigkeit verspricht, wo diese Gewinn bringend ist.

Schließlich lässt’s sich leichter gesellschaftspolitisch nach vorn schauen, wenn man Missstände in der einfach mit der Optimismus-Parole nicht kompatiblen, in der realen Gesellschaft ignoriert. Ein Grundsatz der Politik im Übrigen. Die Damen und Herrn der so genannten Staatskunst allerdings sieht das Volk eher in Schwarz als in schneefarbenem Reinheitslook gewandet. Entlarvt durch textile Tradition?! Unschuldiges Weiß ist eben doch in den Tempeln der tagenden Volksvertreter fehl am Platze.

Das bleibt wohl, bei aller Ansage der textilen Trends für dieses Jahr, die Taft- und-Tüll-Einfärbung fürs Bräuteschema. Die heiratswilligen Damen wirken halt besonders sanft und romantisch, präsentieren sie sich als Hochburgfräuleins für weiße Roben. Die Braut, die sich traut, als unschuldiges, holdes Wesen mit Porzellanteint (jedenfalls im Stoff)? Vielleicht! Wer den Trend nicht verpennt, den die großen Designer als Maxime ausgeben, demonstriert auf alle Fälle die Unschuldigkeit aller Anfänge.

Weiß auf der Haut als kollektive Aussage: „Wir sind ein optimistisches Volk.“ Wenn’s das Land wirklich allgemein stärker macht, umso besser. Wenn’s allerdings nur Ablenkung darstellt von den dringend zu tätigen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Aufräumarbeiten in unserem Lande, dann, ja, dann, sehen wir bald ganz schön blass aus. Auch ohne Weißmacherei.

Ansichtssache Anti-Aging

dsc00340-e1535282253801.jpgKennen Sie das?! Erst locken die höheren Zahlen, dann ärgern sie, frustrieren gar. Ja, mit dem Alter ist das so eine Sache. Erst sehnte ich mich nach der 18. Da fährt’s sich halt selbstständiger. Die Jahre konnten nicht schnell genug ins Land ziehen bis zur Volljährigkeit. Heute, habe ich das Gefühl, überholt ein Monat den nächsten. Frau kommt in die Jahre, wo freundliche Parfümerie-Damen per se die Anti-Falten-Creme als Pröbchen über den Ladentisch schieben. „Es gibt da jetzt noch was ganz Neues“, flüstern sie.

Anstatt Minirock in der Disko lange Elternabende

Die Jungs in der Clique blicken eh seit geraumer Zeit nicht mehr so unschuldig bubihaft drein, klopfen zwar noch Sprüche, aber längst nicht mehr so naive. Abgekämpfte Familienväter sind sie, die sich ein Stück ihrer Jugend auf Inlinern zurückholen. Und die Freundinnen laufen anstatt mit Minirock und Pumps in die Disko mit bequemen Mutti-Tretern und angestrengter Miene zum Elternabend.

Beste Anti-Aging-Pflege

Dafür ist aus dem Kichern ist ein Schmunzeln geworden, die Beine sind – zwar angeschwollen – aber nicht mehr so unförmig wie als Teenager, die Nase ragt nicht mehr so groß ins unebene Gesicht – das Älterwerden hat auch Vorteile. Die Übertreibungen bei der Ansichtssache „Aussehen“ habe ich mir abgewöhnt, jedenfalls größtenteils. Je länger ich mich kenne, desto dünner werden die geschminkten Schichten. Und Tiefgehendes, behaupte ich, nimmt für mich zu. Trotzdem braucht Frau ab und zu einen „Anti-Age“-Bonbon. Und deshalb freut sie sich, wenn die Verkäuferin in einer Boutique sie ganz spontan duzt und eine andere Altersgenossin aber mit „Sie“ anredet. Da fühlt man sich gleich wieder zehn Jahre jünger. Und unter uns: Dieser Balsam für die Seele ist die beste Anti-Aging-Pflege.