Hannover ist Vorreiter. Ja, die Stadt an der Leine kann – oft als kühle norddeutsche City verleumdet – Leuchtturmprojekte rund ums gelungene humane Miteinander aus dem Boden stampfen. Ferien inklusiv und Klimaschutz – so hieß ein Sommerferiencamp für Kids, für alle Kids zwischen 6 und 14, ob nun mit bescheinigter Beeinträchtigung oder angeblich ohne eine solche. Die Vereine Aktiv DabeiSein und Down-Syndrom Hannover organisierten mit und in der Freien Martinsschule in Laatzen sowie mit der Unterstützung der Region und der Stadt Hannover, der Aktion Mensch, der BINGO Umwelt-Stiftung, der Stiftungen der Sparda-Bank und von Edeka sowie dem Therapie- und Sportverein Hemmingen eine Freizeit, bei der sich Mädchen und Jungen aus allen Lebenslagen, mit allen Hautfarben, allen Besonderheiten unkompliziert kennen und schätzen gelernt haben.
Von den Kindern lernen
Wir Alten reden so viel von Inklusion und wie das gehen soll – und die Jungen machen es uns vor. Natürlich muss die Unterstützung von pädagogisch engagierten Menschen gewährleistet sein, damit Kinder mit Besonderheiten sich selbstverständlich dazugesellen können. Aber ich denke, das macht eine soziale Gesellschaft aus, dass das WIR im Mittelpunkt steht. Eltern, die gegen eine inklusive Beschulung sind, weil aus ihrer Sicht das vermeintliche Prachtkind doch durch einen Mitschüler mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung zu kurz käme, kennen nicht die aktuellen Fakten von Wissenschaftlern wie beispielsweise Hirnforscher Gerald Hüther. Er und seine Kollegen meinen, dass gerade das Lernen in einer Gruppe unterschiedlichster Menschen zu mehr schulischen Erfolgen und sozialer Kompetenz führt. Durch den Lehr-Lern-Effekt, der eintritt, wenn ein Kind einem anderen Mädchen oder Jungen etwas erklärt, festig sich das Wissen des Kindes, das in die Lehrerolle geschlüpft ist. Und viele Mütter und Väter in der Rolle der Inklusions-Kritiker vergessen leider auch allzu oft, dass sie nur zufällig Eltern eines so genannten „Durchschnittskindes“ geworden sind. Auch ihre Familie hätte um ein liebes Menschenkind mit physischen oder geistigen Beeinträchtigungen vergrößert werden können. Und dann hätten sie vielleicht verstanden, dass Menschen mit Behinderung nicht automatisch am Rand stehen, dass sie vielmehr von der Gesellschaft zu Außenseitern gemacht werden.
Neue Freunde
Das gemeinsame Entdecken im Feriencamp förderte soziale Fähigkeiten, Toleranz und das Gefühl der Anerkennung. Jedes Kind dort war mit seiner Unterschiedlichkeit willkommen. Und die Mädchen und Jungen knüpften Freundschaften, fragten zwar nach Defiziten, doch die Erklärungen der Pädagogen reichten, damit die neuen Freunde akzeptiert wurden – und zwar so, wie sie sind.