All you need is love

LoveHans Lüttich räuspert sich. Er hat eine aus seiner Sicht unangenehme Unterhaltung vor sich, aus Perspektive seiner Gesprächspartnerin wird sich diese richtig tragisch gestalten. Wir schreiben das Jahr 1945, die 23-Jährige Henni wartet sehnsüchtig auf ihren Freund Hans aus Hamburg. Über ein Jahr haben sich die beiden nicht gesehen, das letzte Mal in Herrmansburg in Schlesien, vor der Flucht von Henni mit ihrem Vater und ihrer elf Jahre jüngeren Schwester Annelore nach Oberkirchenrat.

Henni ist total verliebt in den Seemann, der bei der Marine ist, und dessen Berührungen sie doch so lange entbehren musste. Weiß sie überhaupt noch, wie diese Lippen schmecken, die köstlichen, verheißungsvollen Lippen von ihrem Hans?, fragt sie sich. Und ja, natürlich, die vergisst sie nicht. Und deshalb seht für Henni fest, ein adrettes Kleid muss her, bevor sie ihren starken Seebären empfängt. Aber woher nehmen in den Nachwehen des Krieges, indem man eh von der Hand in den Mund lebt und textile Träume in der Regel unerfüllt bleiben?!

Gewusst wie, mit einer Dorfgemeinschaft im Schaumburgischen, in der man zusammenhält und in denen die Damen der jungen Henni gern behilflich sind. Mit Gardinen. Aus Schals nähen sie der Verliebten ein floral geprägtes Sommerkleidchen. Henni strahlt übers ganze Gesicht. Ja, jetzt kann ihr Hans kommen, jetzt fühlt es sich richtig an mit dem neuen Gewand und der Aussicht auf eine sonnige Zukunft mit ihrem gestandenen Mannsbild.

Und dann ist er eines Tages da – steht vor der Tür der bescheidenen 1-Zimmer-Unterkunft in Obernkirchen – und räuspert sich. Henni ist nach dem ersten sagenhaften Glücksmoment doch erschrocken. Was ist los, was macht Hans für ein Gesicht?! Der gesteht ihr mehr stotternd als verständlich, dass er doch in Hamburg habe Flüchtlinge aufnehmen müssen. Und ja, da habe es sich so ergeben, dass er das Mutter-Tochter-Gespann, das seit einiger Zeit bei ihm lebe, näher kennen gelernt habe. Und das müsse sie, Henni, doch verstehen, dass sich bei dieser Nähe etwas angebahnt habe zu der jungen Frau. Und seine Schwiegermutter in spe habe auch gemeint, dass ein Mannsbild wie er, gut aussehend und verbeamtet, doch nicht so lang allein bleiben könne. Und nun sei er eben verbandelt mit der Tochter. Während er sprach, wurde er ruhiger und Henni immer angespannter. Was sollte das bedeuten? Sie müsse ein Leben ohne ihren Hans leben …?

Ja, das musste sie. Sie lebte ohne ihre große Liebe, aber mit einem guten Mann, Erich, mit dem sie in tiefer Freundschaft verbunden war. Die große Liebe fand sie nochmal in der Beziehung zu ihren Söhnen. Und zum Enkel. Die kleine Annelore von damals erzählt mir diese Geschichte, sie ist heute selbst dreifache Oma und meine Schwiegermutter. Ich bin irgendwie berührt von der Geschichte über die Liebe des Lebens, die man ziehen lassen muss. Milliardenfach und noch viel öfter kommt dies vor, die Gefühle, die beim Erzählen der Geschichte bei meiner Schwiegermutter mitschwingen, zeigen: Die große Liebe vergisst man nicht. Deshalb lohnt es sicher immer, um sie zu kämpfen. Denn das ist das wichtigste. All you need is love.

Guter Hoffnung sein

Herz Behinderung

37 Grad – große Überschrift für eine ebenso große Reportagereihe des ZDF. Gerade in diesen Zeiten der unkontrollierten Veröffentlichungen im Netz wird der Wert der unkommentierten Berichterstattung umso immenser. Die Kollegen aus der 37-Grad-Redaktion schicken Bilder auf den Äther, die der Betrachter selbst bewerten kann und soll. Sie sind so objektiv, wie es die klassische Chronistenpflicht verlangt. In eben einer solchen Folge dieser Reihe erlebten wir jüngst Eltern, die sich trotz umfangreicher Pränataldiagnostik der leider heutzutage immer mehr propagierten Auslese der Föten im Mutterleib verwehren. Die das Leben als solches anerkennen und „Ja“ sagen zu ihren Kindern mit Beeinträchtigungen. Mütter und Väter, die erkannt haben, dass wir Menschen kein Recht haben zu entscheiden, welches Leben lebenswert ist oder nicht.

Überhaupt: Wie widersprüchlich können wir als Gesellschaft sein, schützen wir den Feldhamster und die Wiesenschildkröte, propagieren aber mit eigens entwickelten Bluttest im Rahmen der Pränataluntersuchung, dass zum Beispiel ein Mensch mit Down-Syndrom nicht den Wert habe wie ein anderes Leben und bis zur Geburt abgetrieben werden könne. In was für einer Welt leben wir, wo solche menschenverachtenden Maximen ausgegeben werden?! In der 37-Grad-Reihe waren die drei Elternpaare auf der Seite ihrer Kinder. Denn es sind ihre Töchter, ihre Söhne, die sie auf die Welt bringen – mit oder ohne Beeinträchtigung, ihre Mädchen und Jungen sind Menschen.

Und sind wir doch mal ehrlich, was wissen wir schon, ob nicht ein vermeintlich gesunder Nachwuchs im Laufe seines Lebens eine Behinderung erfährt?! Oder vielleicht sogar auch schon während der Geburt, was in 80 Prozent der Fälle der beeinträchtigten Kinder bilanziert werden muss?! Will man dann seine Kinder abschieben, weil sie die Norm nicht mehr erfüllen?! Und was ist überhaupt diese Norm-Erfüllung, was ist normal?! Mediziner sagen vielen werdenden Eltern, die ein Kind mit Beeinträchtigung erwarten, dass ihnen ein schweres Leben bevorstehe würde. Woher wollen sie das wissen? Sind sie Propheten? Und sind sich eben jene Mediziner sicher, dass auf ihren Lebenswegen keine Hürden auf sie warten? Natürlich nicht, warum also setzen sie die Mütter, die guter Hoffnung sein sollen, derart unter Druck?! Diese Schwangeren sollten vielmehr die Mütter und Väter besuchen, die bereits glückliche Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen sind, und diese fragen, wie sie sich fühlen, wie sie das Leben gestalten. So wie die Elternpaare, in der 37-Grad-Reportage, die ganz selbstverständlich, auch teilweise mit Ängsten, wie das immer so ist bei Neuem, ihre Kids mit den Besonderheiten zur Welt gebracht haben. Denn Sie wissen, was sie tun – einfach ihre Kinder, ihren Nachwuchs, ihre Töchter und Söhne zur Welt bringen und auf ihren Weg begleiten – mit guter Hoffnung.

In der 37-Grad-Reportage lernten wir beispielsweise Eltern kennen von einem Zweijährigen, der eine seltene Chromosomen-Besonderheit hat und dem keine Überlebenschancen von Seiten der Medizin gegeben worden waren. Aber Paul entwickelt sich – trotz aller nicht wissenschaftlich belegten Prognosen – munter, benötigt täglich eines besonderen Pflegebedarfs, trabt dennoch fröhlich durch die Welt. Genauso wie seine Eltern, die vieles einfach nur anders machen im Alltag als andere Mütter und Väter. Pauls Mutter und Vater nutzen beispielsweise die heutigen Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten , die noch niemals so gut und umfangreich waren wie heute.

Paul geht es gut. Das sagten die TV-Bilder aus. Das sollte allen werdenden Eltern Mut machen, guter Hoffnung zu sein. Immer. Gleichgültig, welche Aussagen in der Pränataldiagnostik gemacht werden. Denn: Jedes Leben ist eine einzigartige Geschichte.

Augenblicke mit Enten

quietscheentenMeine Tochter sammelt Enten. Bitte kriegen Sie sich wieder ein, natürlich keine lebende Spezies aus der Gattung des Gänsevogels, sondern diese quietschigen. Mit diesen Badwannen-Kollegen hatte ich heute ein besonderes Rendezvous. Gebeutelt von Rücken und Co. gönnte ich mir seit langem wieder (normalerweise bevorzuge ich aus Zeitgründen die heiße Dusche am Morgen) ein Wohlfühl-Schaumbad. Und mitten in meinen tieftragenden Gedanken (oder was ich dafür hielt) beäugten mich diese Gesellen keck von ihren Standorten am Badewannenrand an. Das witzige war: Sie blickten alle in meine Richtung, als hätten sie sich extra aufgereiht für mich und wollten mich von meiner Nachdenklichkeit ablenken. Das ist Ernies Kollegen auch tatsächlich gelungen. Ich musste lächeln ob der mal liebevollen, mal skeptischen, mal anfeuernden Blicke. Und so schafften sie es, dass ich eine kurze Ansprache hielt und vor der versammelten Enten-Mannschaft mir lautstark vornahm, mich wieder auf die optimistische Seite zu schlagen. Ja, dieser Blickwechsel hat was mit Gelenkwohl zu tun. Wer im tiefen Tal der Grübeleien versinkt, der hat den Rücken niemals frei. Denn: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut“, wie schon Friedrich Schiller erkannte. Das Stelldichein mit den Quietschis tat gut. Da brauchte es auch gar kein Entspannungsbad mehr, dass ich grad ohnehin nicht im Haus hatte. Enten als Körperbalsam – doch das gibt’s, und das ist keine Ente.

Empathie ist der größte Schatz

EmpathieIch habe im Laufe meines Lebens schon viele Menschen kennen gelernt. Habe schon einige Jährchen auf dem Buckel. Und je mehr ich Gattungsgenossen studieren durfte, desto mehr weiß ich um die unspektakuläre Bedeutung des klassischen IQ. Wissenschaftlich gemessen kann man eine Zahl herausfiltern, aus der sich aber auf keinen Fall ein erfolgreicheres Leben ableiten lässt – nach dem Motto: Je höher der Intelligenzquotient, desto produktiver ist der Mensch. So ist es nicht. Die Lebenswege sind nicht abhängig vom Scharfsinn, wissenschaftlicher Bildung, sondern vielmehr von Zufällen, Entscheidungen, Ansichten aufs und rund ums Leben. Wer empathisch ist, fühlt sich in der Regel mehr mitten im Leben als derjenige, der der Intelligenz nach dem Duden angehört. Wer dazu noch über eine stabile Resilienz verfügt, hat gute Karten, die Hürden des Lebens mit Stärke zu nehmen. Hirnforscher wie Gerald Hüther propagieren längst, dass die Gesellschaft von morgen nicht die Intellektuellen prägen werden, sondern vielmehr diejenigen, die gelernt haben, in der großen Gemeinschaft den Einzelnen zu erkennen und Wert zu schätzen. Empathie ist das größte Pfund, mit dem man in Zukunft wuchern kann und sollte. Das Individium erkennen und Talente zusammenführen bringt den größtmöglichen Erfolg. Nicht nur für die persönliche Zielerreichung, nicht nur für eine soziale gesunde Gesellschaft, sondern auch für ein wirtschaftlich stabiles Land.

So kommt Hund rum

Ein Welpe namens Fee ist  unser Leben geschneit. Und das sprichwörtlich, ist doch die kleine Malteserin sozusagen fast aus heiterem Himmel zu uns gekommen. Und mit schöner Konsequenz liegt das Fellknäuel gerade immer dort rum, wo ich gerade kochen, waschen oder sonst etwas unternehmen will. Sie ist das neue Geschwisterkind von unserer Großen, 10 Jahre jung, auch noch keine Alte, aber immerhin ein ganzes Jahrzehnt an Lenzen reifer als der weißhaarige Jungspund auf vier Pfoten.

Die beiden sind jetzt schon eine eingeschworene Gemeinschaft und setzen sich entsprechend in Szene. Die Große weiß, wo es langgeht, denkt sie. Denkt der Minihund aber auch. Leider hat das das Umfeld noch nicht so kapiert, wird doch Fee – eigentlich LaFee, aber alle sagen Fee, das sagt doch schon alles – nicht wirklich ernst genommen. Wie süß, ein Kuscheltier, tapsig – die Reihe der ihr zugewiesenen Artikel ist lang, entspricht aber laut Fee nicht ihrem wirklichen Kern. Schließlich: Mit einem furchteinflößenden Welpenknurren und dezentem Bellen kann man doch auch schon die Welt retten, oder etwa nicht?! Na ja, wenigstens die Familie.

La familia will Frauchen wenigstens mit einem ordentlichen Einkauf zum Wochenanfang retten. Der Kühlschrank muss aufgefüllt werden, mit Hund in den Supermarkt gestaltet sich doch in der Regel als schwierig. Das Tier kurz im Auto lassen – das mag bei den Temperaturen möglich sein, macht Frau allerdings nicht mit einem Welpen, der erst seit zweit Tagen bei einem ist. Also: Kurzerhand die schicke neue, auch vor zwei Tagen spontan erstandene Hundetasche herbeigeholt, den Minimalteser gemütlich platziert – und schon kann es losgehen. Beim Trip durch den Discounter fällt keinem auf, dass die klassische Megabag gar keine stylische Handtasche ist, sondern das neue Vehikel für den modernen Welpen, der mal linsen will im Lebensmitteltempel und der mucksmäuschenstill sein kann, wenn es darauf ankommt. So kann der Malteser später was erzählen im Kreise seiner Artgenossen beim Gassigehen, denn welcher Wuff  kommt schon mal zur Supermarkt-Stippvisite. Und dann ist sie doch ganz groß, die LaFee, ein felliges Fräulein, das sich in bestimmten Situationen einfach mal zurücknehmen kann, wenn es darauf ankommt. Was man ja von vielen älteren Zwei- und Vierbeinern nicht behaupten kann.

Sagt „Ja“ zur Gleichstellung

inclusion-4025631_1280 (1)Fast drei Jahrzehnte lang machen es uns die USA vor, wie Barrierefreiheit grenzenlos funktioniert. Die Freiheitsstatue fährt Rollstuhl sozusagen. Die Staaten nehmen ihr Behindertengleichstellungsgesetz wörtlich – Americans with Disabilities Act (ADA) sorgt seit 1990 dafür, dass beeinträchtige Menschen, auf einem guten, auf einem barrierefreien Weg sind. Unbefangen unterwegs zu sein auch als Nicht-Fußgänger ist in deutschen Gefilden ein Wagnis. In zahlreichen Restaurants und an vielen Orten der Sehenswürdigkeiten gibt’s noch nicht mal eine Behindertentoilette. In Amerika ist der touristische place to be standardmäßig mit einer solchen ausgestattet. Und wenn nicht, hat der Freizeittreff eine Außenseiterrolle. Ja, hallo, das geht. Nichtbehinderte erklären sich solidarisch mit eingeschränkten Zeitgenossen und meiden den Ort der Nachlässigkeit in Sachen Barrierefreiheit. In den USA sind ausreichend barrierefreie Hotelzimmer vorhanden, Mietwagen kann man beispielsweise überall mit Handgas mieten, wenn man nicht per pedes fahren kann. Was für eine Signalwirkung!

Das amerikanische Behindertengleichstellungsgesetz verlangt regelrecht angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Menschen mit Beeinträchtigungen nicht diskriminiert werden. Und bewirkt damit eine Nachdenkpflicht über die Bedürfnisse, die eigentlich normal aus der Sicht von Menschen mit Handicap. Und weil die Individualität jedes einzelnen besondere Vorkommnisse bei jedermann, jederfrau mit sich bringt, ist es generell normal. Normalität ist eben verschieden zu sein. Das gilt auch für den Arbeitsmarkt. Ein Grundbedürfnis eines Menschen ist es, einer Beschäftigung nachzugehen. Mit Lohn als Erfolgserlebnis. Und ein Grundrecht für alle ist es ebenfalls in Deutschland. Doch was nutzt es, eben auch als behinderter Mensch dieses Grundrecht zu haben, aber keine Chance zu bekommen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das macht eher einen grausamen Scherz aus und führt diesen Anspruch ad absurdum. Amerika verlangt von seinen Arbeitgebern per Gesetz Maßnahmen, um Menschen mit Beeinträchtigung ganz selbstverständlich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Das ist kein amerikanischer Traum, sondern traumhafte Wirklichkeit in den Staaten. Einer Realität, der wir in Deutschland folgen sollten. Eine starke Gesetzgebung zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu etablieren ist hierzulande längst überfällig. Immer noch gibt es keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Kinder mit Behinderung dürfen bis zur Geburt abgetrieben werden, Erwachsene, die blind oder taub seien, werden vielfach vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Noch immer findet an vielen Schulen lediglich eine Pseudo-Inklusion statt, die dann zum Scheitern verurteilt ist. Und aus diesem Resultat heraus werden Kinder mit Behinderungen oftmals aus der Regelschule ausgegrenzt. Straßen und Bürgersteige, öffentliche Gebäude und Sehenswürdigkeiten sind viel zu oft für Rollstuhlfahrer unbenutzbar.

Deutschland wurde einmal mehr vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen aufgefordert, das Konzept der angemessenen Vorkehrungen in allen Rechts- und Politikbereichen zur Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigung gesetzlich zu verankern. Dazu hatte sich Deutschland mit der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention bereits verpflichtet. Angemessene Vorkehrungen zu treffen stellen das Einmaleins der baulichen Barrierefreiheit dar und müssen unbedingt auf die Agenda der Verpflichtungen gesetzt werden. Das Institut für Menschenrechte hat das in leichter Sprache gut erklärt. Deutschland blockiert. Wir seien immer noch gut im Aussortieren, sagten jüngst die Kultusminister unserer europäischen Nachbarn bei der entsprechenden EU-Tagung zu ihren deutschen Kollegen. Keine internationale Auszeichnung für uns, eher ein Armutszeugnis. Und. sehr geehrte Politik, die Art und Weise, wie man mit Menschen mit verschiedensten Hintergründen umgeht, beschreibt unsere Werte und symbolisiert, wer wir sind. Vielleicht erzeugt diese Wahrheit zum Nachdenken und sorgt dafür, dass die Bundesregierung endlich ihre Hinhaltetaktik zum Diskriminierungsschutz aufgibt.

Gesellschaftlicher Mythos

ZusammenhaltDa stand Dr. Louwen, der sich rühmt, ein Berater in Sachen Schwangerschaft und Risiken zu sein, am Pult mit Klaus Kleber im ZDF heute journal  und behauptete, dass es auch eine Frage der Finanzen sei, sich ein Kind mit Behinderung „leisten“ zu können. Schade, dass er als Leiter einer bekannte Klinik für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik ein so sicheres Auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit hatte. Noch nie gab es so viele Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten für Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigung wie heute. Aber Dr. Louwen scheint noch in einer anderen Zeit zu leben, denn er sprach im heute journal auch von einer Erkrankung im Zusammenhang mit dem Down-Syndrom. Fakt ist jedoch, dass Trisomie 21 eine Genbesonderheit ist und keine Krankheit. Und um diese ging es auch in dem aktuellen Beitrag der ZDF-Nachrichtensendung. Vielmehr um die jetzt nahende Orientierungsdebatte im Bundestag, ob der Bluttest zur Fahndung nach Trisomie 21 eine Kassenleistung werden soll.

Der Bluttest stellt eine Rasterfahndung nach Menschen mit Down-Syndrom dar und diskriminiert behinderte Menschen in der schärfsten Form. Und logischerweise kann man nur die Meinung des ehemaligen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Hubert Hüppe, doppelt unterstreichen, dass der Bluttest weder der Heilung noch der Gesundheit dient, sondern fast einzig dem Aufspüren und anschließenden Töten von Menschen mit Down-Syndrom.

Was hierzulande kaum bekannt ist: Die derzeitige Gesetzeslage erlaubt im Fall des Down-Syndroms eine Abtreibung zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft, auch die Tötung von lebensfähigen Föten. Die Eltern sind nicht verpflichtet, sich über die Entwicklungschancen ihres Kindes beraten zu lassen. In aller Regel wird ihnen nicht mal ein solches Angebot gemacht. Eine Gesetzesänderung muss her: Kinder im Mutterleib – ob und mit oder ohne Behinderung – haben ein Recht auf Gleichbehandlung. Die Spätabtreibung darf auch bei diagnostizierter Beeinträchtigung nicht möglich sein und muss so bestraft werden, wie bei Kindern ohne festgestellter Behinderung.

Wer sich für das Menschenrecht auf Leben einsetzt, geht keinen religiösen oder christlichen Sonderweg, sondern er steht auf dem Boden des Grundgesetzes. Die Tötung behinderter Menschen im Mutterleib bis kurz vor der Geburt ist eine der schlimmsten Formen der Diskriminierung. Der Begriff der guten Hoffnung hat keine Chance mehr, die Schwangerschaft ist zu einer Kultur der Selektion geworden.

Weltweit wird jedes 800. Kind mit dem Down-Syndrom geboren, früher diskriminierend Mongolismus genannt. Beim Down-Syndrom ist das 21.
Chromosom dreimal statt zweimal vorhanden, daher auch die Bezeichnung Trisomie 21. Heutzutage stehen Eltern mit einem behinderten Kind nicht allein da. Sie erhalten umfangreiche Unterstützung durch den Staat. Und es gibt zahlreiche Organisationen wie spezifische Elterngruppen, Aktion Mensch oder die Lebenshilfe, die die Familien ebenfalls zur Seite stehen. Ethikerin Dr. Sigrid Graumann macht darauf aufmerksam, dass in der Gesellschaft oft noch ein falsches Bild herumschwirrt. „Die verbreitete Angst vor einem Kind mit Down-Syndrom beruht nämlich weniger auf der Erfahrung von Familien, die ein Kind mit Down-Syndrom haben, als auf einem gesellschaftlichen Mythos, der allerdings ausgesprochen wirkungsvoll ist.“

 

Wir sehen Weiß

Optimismus ist angesagt 2019. Die Wirtschaft sieht angeblich mit viel Wohlwollen der Zukunft entgegen – der „gemeine“ Bürger steht abwartend daneben, und der durchschnittliche Student, so vermittelt uns eine Studie, schätzt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen wie auch die eigenen Chancen positiv ein.

Und wie reagiert die Modewelt bei so viel Glückseligkeit: In dieser setzt Mann beziehungsweise Frau auf Weiß. Ja, warum wohl?“ Weil „schwarz sehen“ eben so was von out ist, dass die krasse, komplette „Scheinhelligkeit“ bei den Stoffen, aus denen die Modeträume 2019 sind, gerade genug ist. Ja, die weiße Linie ist jetzt gerade auf dieselbige der Starmodels maßgeschneidert. Der Designer neuen Kleider verheißen den Start in ein reines Zeitalter, das Unschuldigkeit verspricht, wo diese Gewinn bringend ist.

Schließlich lässt’s sich leichter gesellschaftspolitisch nach vorn schauen, wenn man Missstände in der einfach mit der Optimismus-Parole nicht kompatiblen, in der realen Gesellschaft ignoriert. Ein Grundsatz der Politik im Übrigen. Die Damen und Herrn der so genannten Staatskunst allerdings sieht das Volk eher in Schwarz als in schneefarbenem Reinheitslook gewandet. Entlarvt durch textile Tradition?! Unschuldiges Weiß ist eben doch in den Tempeln der tagenden Volksvertreter fehl am Platze.

Das bleibt wohl, bei aller Ansage der textilen Trends für dieses Jahr, die Taft- und-Tüll-Einfärbung fürs Bräuteschema. Die heiratswilligen Damen wirken halt besonders sanft und romantisch, präsentieren sie sich als Hochburgfräuleins für weiße Roben. Die Braut, die sich traut, als unschuldiges, holdes Wesen mit Porzellanteint (jedenfalls im Stoff)? Vielleicht! Wer den Trend nicht verpennt, den die großen Designer als Maxime ausgeben, demonstriert auf alle Fälle die Unschuldigkeit aller Anfänge.

Weiß auf der Haut als kollektive Aussage: „Wir sind ein optimistisches Volk.“ Wenn’s das Land wirklich allgemein stärker macht, umso besser. Wenn’s allerdings nur Ablenkung darstellt von den dringend zu tätigen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Aufräumarbeiten in unserem Lande, dann, ja, dann, sehen wir bald ganz schön blass aus. Auch ohne Weißmacherei.

Inklusion – aber richtig!

 

 

Der Streit um inklusive Bildungsmodelle nimmt skurrile Ausmaße an. Von einer Pause, die man in diesem Bereich mal machen könne und solle, so lauten die Schlagzeilen in der hannoverschen Medienlandschaft. Wie bitte? Ein Menschenrecht soll pausieren?! Soweit kommt es noch! Inklusive Beschulung funktioniert – das beweist alltäglich zum Beispiel die Otfried-Preußler-Schule in der Südstadt Hannovers. Eine Grundschule, die Kinder mit und ohne Beeinträchtigung zum Lernen einlädt. „Inklusion – aber richtig!“: Das ist das Motto aus meiner Sicht.

„Natürlich lernt jedes Kind auf seiner Leistungsstufe“, betont Alexandra Vanin, Rektorin der Otfried-Preußler-Schule in Hannovers Südstadt. In die Klasse 3a  ihrer Schule mit dem Motto „Wurzeln geben – Vielfalt leben“ gehen beispielsweise vier Kinder mit so genannter geistiger Beeinträchtigung. Sie alle gemeinsam haben Anrecht auf Förderstunden, die es in der Summe möglich machen, dass in der 3a ständig ein Lehrer-Duo unterrichtet. Noch dazu stehen den Pädagogen drei Schulassistenten zur Seite, die aus einem schuleigenen Pool aus Inklusionshelfern kommen. Das unterstütze den Teamgedanken im Kollegium, erklärt die Schulleiterin und ergänzt: „Für die Lehrer ist es oft vorteilhaft, dass sie nicht mehr allein die auftretenden Probleme innerhalb einer Klasse bewältigen müssen.“ Schließlich gäbe aus auch immer mehr so genannte Regelkinder, die ebenfalls Unterstützungsbedarf hätten.

Seit zehn Jahren befindet sich die Otfried-Preußler-Schule auf dem inklusiven Weg. Rektorin Margret Dahm, Vorgängerin von Alexandra Vanin, hatte das neue Zeitalter in dem Gebäude an der Meterstraße eingeläutet. Damals noch auf Druck von Eltern, „aber schon aus voller Überzeugung“, so die heutige Schulleiterin. Viel dazulernen mussten Lehrer, Eltern wie Schüler, um fürs gemeinsame Miteinander Hemmschwellen und Ängste zu überwinden. „Es ist normal, verschieden zu sein, ist seitdem das Motto unserer Schule“, sagt Vanin. Für ihr innovatives Konzept und die gute pädagogische Umsetzung hat die Otfried-Preußler-Schule mittlerweile einige Preise eingeheimst.

2016 Jahr ist die Schule in die Birkenstraße umgezogen. Die neuen Räumlichkeiten bieten den idealen Rahmen für gelebte Inklusion im Bildungsbereich. 374 Mädchen und Jungen besuchen derzeit die Vorbildschule für die gemeinsame Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder. 33 davon haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf – von der Sprache über die geistige Entwicklung bis hin zu den Bereichen Lernen, Hören, Sehen oder Motorik. Für eine gelungene Inklusion sei es Vanin zufolge nötig, alle mitzunehmen: die Kinder, die Eltern und nicht zuletzt die Lehrer. „Die Pädagogen, die eine gemeinsame Beschulung von behinderten und nicht behinderten Kindern umsetzen sollen, müssen darauf richtig vorbereitet werden“, sagt sie. „Daran hapert es vielerorts noch.“

Damit das gemeinsame Unterrichten funktioniert, wird darauf geachtet, dass die Schulklassen gut gemischt sind – und dass jedes Kind individuell gefördert wird. Viel Wert wird auf selbst organisiertes Lernen gelegt, Teamarbeit wird großgeschrieben. Auch unter den Lehrkräften. Gemeinsam gestalten die Pädagogen den Unterricht so, dass jedes Kind Aufgaben bekommt, die seinem Wissensstand entsprechen. Die Rektorin ist überzeugt: „Es ist die Aufgabe von Schule, das Leben in seiner ganzen Vielfalt abzubilden.“ Zudem würden Studien belegen, dass Kinder in inklusiven Schulen bessere Leistungen erbringen. Sei eine Schulklasse durchmischt, profitierten beide Seiten: Die Kinder mit Förderbedarf würden sich vieles von ihren Schulkameraden abschauen, die Mädchen und Jungen ohne Beeinträchtigungen könnten ihr Wissen vertiefen und soziale Kompetenzen erlernen. Durch Projektarbeit, Lernen an Stationen und anderen Methoden der inklusiven Didaktik würden die Schüler nicht nur rund ums Fachwissen, sondern auch zu Kooperation und Rücksichtnahme geschult. Durch den Lehr-Lern-Effekt, der eintritt, wenn ein Mädchen oder Junge einem Mitschüler etwas erkläre, festige sich das Wissen des Kindes, das in die Lehrerolle geschlüpft sei.

In der Otfried-Preußler-Schule wird seit fast einem Jahrzehnt erfolgreich praktiziert, was momentan deutschlandweit ein großes Thema ist. Für Vanin steht fest: „Inklusion funktioniert – wenn sie richtig gemacht wird.“ Gern mache sie Aufklärungsarbeit und informiere sachlich über die verschiedenen Hintergründe von Beeinträchtigungen. Sie versuche, Vorurteile auszuräumen, ließe aber Stimmungsmache gegen Inklusion an ihrer Schule nicht zu. „Ich bin nicht ansatzweise bereit, Feindseligkeiten Tür und Tor zu öffnen.“ Das hat sich für die Schule in der Südstadt gelohnt: Jüngst wurde sie vom Deutschen Down-Syndrom-Center mit dem nationalen Preis für vorbildliche inklusive Arbeit ausgezeichnet.

Ansichtssache Anti-Aging

dsc00340-e1535282253801.jpgKennen Sie das?! Erst locken die höheren Zahlen, dann ärgern sie, frustrieren gar. Ja, mit dem Alter ist das so eine Sache. Erst sehnte ich mich nach der 18. Da fährt’s sich halt selbstständiger. Die Jahre konnten nicht schnell genug ins Land ziehen bis zur Volljährigkeit. Heute, habe ich das Gefühl, überholt ein Monat den nächsten. Frau kommt in die Jahre, wo freundliche Parfümerie-Damen per se die Anti-Falten-Creme als Pröbchen über den Ladentisch schieben. „Es gibt da jetzt noch was ganz Neues“, flüstern sie.

Anstatt Minirock in der Disko lange Elternabende

Die Jungs in der Clique blicken eh seit geraumer Zeit nicht mehr so unschuldig bubihaft drein, klopfen zwar noch Sprüche, aber längst nicht mehr so naive. Abgekämpfte Familienväter sind sie, die sich ein Stück ihrer Jugend auf Inlinern zurückholen. Und die Freundinnen laufen anstatt mit Minirock und Pumps in die Disko mit bequemen Mutti-Tretern und angestrengter Miene zum Elternabend.

Beste Anti-Aging-Pflege

Dafür ist aus dem Kichern ist ein Schmunzeln geworden, die Beine sind – zwar angeschwollen – aber nicht mehr so unförmig wie als Teenager, die Nase ragt nicht mehr so groß ins unebene Gesicht – das Älterwerden hat auch Vorteile. Die Übertreibungen bei der Ansichtssache „Aussehen“ habe ich mir abgewöhnt, jedenfalls größtenteils. Je länger ich mich kenne, desto dünner werden die geschminkten Schichten. Und Tiefgehendes, behaupte ich, nimmt für mich zu. Trotzdem braucht Frau ab und zu einen „Anti-Age“-Bonbon. Und deshalb freut sie sich, wenn die Verkäuferin in einer Boutique sie ganz spontan duzt und eine andere Altersgenossin aber mit „Sie“ anredet. Da fühlt man sich gleich wieder zehn Jahre jünger. Und unter uns: Dieser Balsam für die Seele ist die beste Anti-Aging-Pflege.